Chuck Morris
„Chuck Morris nimmt die Welt durch die kulturelle Brille von zwei weißen, westlichen, gut ausgebildeten Frauen der Mittelklasse wahr. Duo-Sein als Genre bedeutet die kontinuierliche Auseinandersetzung mit der Figur des Zwillings und mit dem Versuch, durch den Doppelkörper die individuelle Identität der Künstlerin aufzulösen.“
Nein, sie sind nicht Chuck Norris, dieser Brutalo-Filmschreck der 1980er Jahre. Sie sind Chuck Morris, ein Künstlerinnenduo unter einem Männernamen, der nach Wildem Westen klingt. In ihrer künstlerischen Arbeit streben sie danach, den Status der Einzelnen aufzuheben – das ist die erste Utopie. Denn Lucie Tuma und Cecilie Ullerup Schmidt durchforsten Theorie, Kunst und Popkultur, um sich – und ihrem Publikum – Potenziale und Utopien für eine scheinbar alternativlose Gegenwart zu erspielen. Wie könnten wir sein, und wie die Welt? Ist wirklich schon alles gesagt – oder getan? Ihren eigenen soziokulturellen Kontext denken sie dabei stets mit, ebenso wie den Kontext des Theaters. Es wird ihnen zum Möglichkeitsraum, um am Beispiel ihres gemeinsamen Performerinnen-Ichs alternierende Subjektkonstitutionen durchzudeklinieren. Denn sie führen zugleich die Reflexion und Produktion dessen auf, was sie untersuchen – beispielsweise die Langeweile in Zeiten des Kapitalismus in ihrer ersten Performance „siebenschoenchen“ (2008), wo zwei Puppenkörper wie von einer Spieluhr aufgezogen sinnfreie Handlungen exerzierten. Bei „souvereines“ (2011) ließ sich der Doppelkörper Chuck Morris zur kommenden Königin krönen, um Souveränität, Repräsentation, Selbstbildung und Selbstdisziplin als tragende Säulen des gegenwärtigen Subjektverständnisses zu reflektieren. Und zuletzt dachte er in „Feminine Fun Studies“ (2013) ein ungeheures Gegensatzpaar zusammen: Frauen und Humor. In einem feministischen Akt der Aneignung wurde der weibliche Körper zur Pointe – heiter, klug und befreiend.
Esther Boldt
Feminine Fun Studies (2013)
3 performers, stage 10 x 8 m, 70 min
Chuck Morris ist ein Performance-Duo im Bereich Theorie, Choreografie und Performance. Es fand sich 2008 am Institut für Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen. Mit der ersten Arbeit „siebenschoenchen“ stellte Chuck Morris die post-revolutionäre Frage: ‚Und was nun?‘ und entwickelte, ausgehend von osteuropäischem Nouvelle Vague Filmmaterial, Choreografien der Langeweile und des Unterlassens. 2010 ließ sich das Duo durch eine souveräne Geste zur kommenden Königin krönen und unternahm mit der Arbeit „souvereines“ (2011) Staatsbesuche in vier Nationen, um Strategien der Inszenierung von Blicken zu testen. Nun sucht Chuck Morris mit „Feminine Fun Studies“ (2013) sein diametrales Gegenbild im Narren und widmet sich ernsthaft dem Studium des Blödsinns, des Quatschmachens, der Aufführung des Witzes.