LIGNA

„Das Gehen durch die Stadt ist die Geste bürgerlicher Subjektivität und Weltaneignung. Tanz ist die Geste einer anderen Subjektivität, in der alle Verhältnisse selbst zu tanzen beginnen: Wie lernen wir so zu tanzen?“

  • Die große Verweigerung / © Anja Beutler

  • Tanz Aller / © Eiko Grimberg

  • Tanz Aller / © Eiko Grimberg

Portrait

Als LIGNA erforschen Ole Frahm, Michael Hüners und Torsten Michaelsen seit 1997 „die Rezeptionssituation als Quelle für Produktion“. Ausgangspunkt ihrer Arbeiten – zu deren prägnantesten und als „Fremdversammlung im öffentlichen Raum Bahnhof“ juristisch folgenreichen Anfängen das Radioballett (2002) am Hamburger Hauptbahnhof zählt – ist Bertolt Brechts Radiotheorie aus den späten 1920er-Jahren. Darin plädiert Brecht für eine Veränderung des Radios von einem „Distributionsapparat in einen Kommunikationsapparat“. Das Radio solle nicht nur senden, sondern auch empfangen, der Hörer aktiv werden. Davon ausgehend entwickelt LIGNA Konzepte und Texte, schafft Rahmen und Spielfelder – mal auf der Bühne, noch lieber im ö ffentlichen Raum –, um sie dann dem Besucher zu überlassen. Während dieser das jeweilige Hörstück per Kopfhörer rezipiert, ist er allein, doch wird er immer wieder aufgefordert, bestimmte Bewegungen auszuführen. Als Rezipient der Radiosendung scheint er vereinzelt. Durch sein Engagement im Raum wird er Teil eines Kollektivs, Teil der (Performance-) Produktion und aus einer zufälligen Konstellation von Teilnehmenden entsteht die gezielte Assoziation von Produzierenden. „Wir versuchen, unsichtbar zu sein“, kommentieren die Künstler ihre Aufgabe während der Performances. Aber was, wenn die Zuschauerinnen und Zuschauer sich dem Mitmachen verweigern? „Das ist ein Risiko, das wir eingehen müssen“, kommentiert Ole Frahm gelassen, „es gibt immer einige, die sich verweigern.“ Damit verweigerten sie sich zwar dem Stück – nähmen aber letztlich „eine sehr konventionelle Rezeptionshaltung ein.“

Katrin Ullmann

Produktionen

Die große Verweigerung (2014)

Die letzte Kommune (2014)

Nichts zu machen (2014)

Promenade Jungfernstieg (2014)

Raum 315 (2014) Secret Radio (2014)

Dance of all – A movement Choir (2015)

Der Wert (m)eines Lebens (2015)

Warten. Ein Audioguide ins Nichtstun (2015)

Biografie

LIGNA besteht aus den Medientheoretikern und Performance- Künstlern Ole Frahm, Michael Hüners und Torsten Michaelsen, die sich im Freien Sender Kombinat (FSK) in Hamburg zusammengefunden haben. In LIGNAs Performances wird das Publikum zu einem zerstreuten Kollektiv von Produzenten: Arbeiten wie das Radioballett (2002) laden das zerstreute Publikum ein, in privatisierten und kontrollierten öffentlichen Orten wie Hauptbahnhöfen oder Shopping Malls eine Choreografie der verbotenen und ausgeschlossenen Gesten zu hören und auszuführen. Performances wie Der Neue Mensch (2008) untersuchen das Theater selbst als einen Ort, in dem Subjektivität des Publikums produziert wird und bringen wie in Tanz aller – (2013- 15) vergessene Praktiken kollektiven Tanzens in Erinnerung, in denen die Trennung zwischen Akteur und Zuschauer aufgehoben waren.

Materialien