Sebastian Matthias
„Die groove space Reihe verstehe ich als eine Einladung und ein Angebot. Erst im Austausch mit den Zuschauenden wird die Choreografie zum Ganzen.“
Sebastian Matthias schafft Aufführungssituationen, die immer beides sind: ein intensives physisches Erlebnis auf höchstem tänzerischen Niveau und ein von Tanzenden und Zuschauenden geteilter künstlerischer Forschungsprozess. Seit 2010 vertieft er konsequent sein modulares Improvisationssystem zur Bewegungsgenerierung, in dem sich körperliche Bewegungsqualitäten dicht überlagern. Die mehrjährige groove space Reihe überträgt diese Forschung auf die Komplexität und Spezifik urbaner Bewegungsmuster in u. a. Berlin, Zürich, Basel, Freiburg, Hamburg, Jakarta, Düsseldorf und Tokio. Mit seinem langjährigen tänzerischen Team, zusätzlich für die jeweilige Stadt einbezogenen Kunstschaffenden anderer Disziplinen sowie Partnern vor Ort – wie z. B. ein Chor aus Freiburger Bürgerinnen und Bürgern – entstehen groove spaces, die die Zuschauenden ebenfalls konsequent einbinden: Mit ihren Bewegungsentscheidungen werden sie im Moment der Aufführung Teil des kollektiven Forschungsprozesses, der das affizierende Potenzial von Bewegung untersucht. Individuelle somatische Reaktionen auf Bewegungsqualitäten und sich synchronisierende Rhythmen verbinden alle Anwesenden in temporären choreografischen Versammlungen, die gerade aufgrund ihres Abstraktionspotenzials eine enorme körperliche Sogwirkung entfalten. Dass Sebastian Matthias die Idee des Ensembles als Forschungsgruppe neu definiert und die Diskontinuität der Produktionsbedingungen der freien Szene äußerst intelligent befragt, ist zudem eine besondere strukturelle Stärke seiner herausragenden choreografischen Arbeit.
Kerstin Evert
maneuvers / groove space (2014)
synekism / groove space (2014)
chorus / groove space (2015)
volution / groove space (2015)
people looking at people looking at people (2016)
x / groove space (2016)
Sebastian Matthias studierte Tanz an der Juilliard School in New York und Tanzwissenschaft an der Freien Universität Berlin (M.A.). In seiner choreografischen Arbeit beschäftigt er sich mit modularen Improvisationssystemen. Diese entwickelt er in Zusammenarbeit mit seinem Tänzerteam in freien Produktionen u. a. am tanzhaus nrw, bei Kampnagel oder Institutionen wie dem Theater Freiburg und dem Cullberg Ballett. Seit März 2012 vertieft er seinen Ansatz zur künstlerischen Forschung mit einem Doktoranden-Stipendium am Graduiertenkolleg „Versammlung und Teilhabe“ der Hafen- City Universität Hamburg. Er weitet ihn auf partizipative Prozesse aus und erprobt diese in Forschungsgruppen mit Zuschauerinnen und Zuschauern innerhalb der groove space Performanceserie.