Jana Unmüßig

„Choreografieren, ein Handeln, das verbindet und teilt, öffnet Raum, individuellen, singulären Raum und gemeinsamen, geteilten Raum. Die Auseinandersetzung mit der Frage, was choreografisches Handeln für eine Tätigkeit ist – das ist eine treibende Kraft für meine choreografische Praxis.“

  • Farbe, Farbe | © Timo Wright

  • Farbe, Farbe | © Timo Wright

  • glk | © Sven Hagolani

Portrait

Jana Unmüßig befasst sich in ihrer choreografischen Arbeit, die sie derzeit auch im Rahmen einer künstlerischen Promotion an der Theaterakademie Helsinki vorantreibt, mit den Dimensionen der Wahrnehmung von Körper, Zeit und Raum. Dabei gehen konzeptuelles Denken und somatische Techniken eine äußerst reizvolle, aber auch anspruchsvolle Liaison ein. Denn Unmüßigs Choreografien sind nichts für ungeduldige Betrachter. Die Tänzer bewegen sich in völliger Stille und geraten wiederholt in Zustände des Verharrens, wodurch Bewegungen für Momente zu Bildern gerinnen. Diese Reduktion des Geschehens fordert die Zuschauer dazu auf, eine gesteigerte Aufmerksamkeit für kleinste Details zu entwickeln. So fällt beispielsweise im Verlauf der Aufführung des Quartetts „Colour, Colour“ (2013) auf, dass das Tempo des Lidschlags von Tänzerin zu Tänzerin variiert. Zwar ist das Blinzeln nicht gesteuert und somit im Prinzip auch kein Teil der Choreografie, im Auge des Betrachters fügt es sich jedoch ganz organisch in die Bewegungen der Körper ein. Wie variantenreich Unmüßigs Auseinandersetzung mit Themen wie etwa dem ‚phänomenologischen Sehen‘ ist, erschließt sich dabei manchmal erst auf den zweiten Blick. Wer schaut hier eigentlich wem zu? Die Zuschauer den Tänzern oder umgekehrt? Die Tänzer einander oder auch sich selbst? Zudem sind es feine Unterschiede wie jene zwischen Erkennen, Betrachten, Blicken und Sehen, die von Unmüßig und ihren Tänzern auf der Bühne verhandelt werden. Es empfiehlt sich also, genau hinzuschauen.

Pirkko Husemann

Produktionen

glk (2014)
1 dancer, stage 10 x 12 m, 45 min

Farbe, Farbe (2013)
4 dancers, stage 10 x 12 m, 50 min

Strich/Chrysantheme/Haar fällt (2012)
5 dancers, stage 10 x 12 m, 50 min

Ast im Auge (2011)
5 dancers, stage 10 x 12 m, 40 min

Biografie

Jana Unmüßig lebt in Berlin. Sie studierte Theaterwissenschaft an der Sorbonne in Paris, zeitgenössischen Tanz an der Salzburg Experimental Academy of Dance (SEAD) und erhielt 2010 einen Master in Choreografie am Hochschulübergreifenden Zentrum Tanz Berlin (HZT). Ihre Arbeiten wurden u. a. bei Kampnagel, Hamburg, beim HAU Hebbel am Ufer in Berlin, tanzhaus nrw, Springdance in Utrecht, Monaco Dance Forum und ImPulsTanz in Wien gezeigt. 2010 war Jana Unmüßig danceWEB-Stipendiatin. Sie war Residentin bei Movement Research in New York, Lynda Gaudreau/Theatre Tangente in Montreal und RE.AL in Lissabon. 2011/12 war sie Residenz-Choreografin bei K3 – Zentrum für Choreographie auf Kampnagel, in Hamburg. Derzeit macht sie einen Doktor in Arts am Performing Arts Research Centre der Theaterakademie / Universität der Künste Helsinki.