Zufit Simon
„Es ist typisch für meine Arbeit, dass der künstlerische Prozess fortlaufend ist, dass die Performance sich von einer Aufführung zur nächsten weiterentwickelt und ein Eigenleben führt – mit scharf konturierten Bewegungen, Intensität und einem trockenen Humor. Ich möchte mich selbst und das Publikum immer wieder herausfordern.“
Zufit Simon hasst es, Emotionen zur Schau zu stellen – sie versprechen zu leichte Beute. So krönte die scheinbar wertungsfreie Darbietung stets das schöne, ausdruckslose Gesicht einer Oberschwester beim Pulsmessen. Es entfällt das harmonische Mitschwingen mit der Bühnenfigur, das schnelle Wiedererkennen, der bewusstlose Genuss; Zufit Simon baut uns keine einfache psychologische Brücke. Auch ihr Humor ist eher spröde. Weder Gesten noch Requisiten bedienen den Zeitgeist. Aber Simons mimische Abstinenz war nie gleich Ausdruckslosigkeit. Im Gegenteil: Indem die Tänzerin die Emotion aus ihren Gesichtszügen verbannte, irritierte sie den Zuschauerblick. Wo wir gewohnt sind, Bedeutung abzulesen, ließ sie eine Leerstelle. Und lenkte den sinnsuchenden Blick auf das Schauspiel der reinen Motion, gesättigt, wie dann sichtbar wird, mit all den gleichen Projektionen. So konnten wir bei Zufit Simon den Körper neu lesen lernen. Mit der Trilogie NEVER THE LESS (2013), all about nothing und piece of something (beide 2014) bringt sie ihre Wahrnehmungsumschulung zum traditionellen Instrument Mimik zurück: Sie lacht, weint, schüttelt sich vor Wut wie vor Freude. Verzweiflung löst Erschöpfung ab, wird urplötzlich zum Lachkrampf bis wieder die Tränen fließen. Wer Simon im Wechselbad der Gefühle sieht, traut seinen Augen nicht mehr. Hier entfaltet sich die Macht ihrer Kunst neu. Noch während sie uns plötzlich richtig amüsiert, lehrt sie uns doch, genauer hinzusehen.
Katja Werner
un-emotional (2016)
Swanecase (2016)
GONE (2015)
NEVER THE LESS (2014)
all about nothing (2014)
Die Performerin und Choreografin Zufit Simon, in Israel geboren, studierte zeitgenössischen Tanz an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main. Sie gewann 2005 mit fleischlos den 3. Preis der euro-scene Leipzig für das beste deutsche Tanzsolo und den 3. Preis beim Internationalen Choreografenwettbewerb in Hannover für Meine Mischpuche. Ihre Arbeit wurde auf nationalen und internationalen Festivals gezeigt, bspw. in Italien, Tansania, Österreich, Tschechien, Polen, Russland und Frankreich. Zur Tanzplattform Deutschland wurde sie 2012 mit Wild Thing eingeladen und 2014 mit I LIKE TO MOVE IT. Im Oktober 2015 eröffnete sie gemeinsam mit dem Regisseur Moritz Schönecker und der Produktion Die Zofen die Spielzeit am Theaterhaus Jena.