Eszter Salamon
„Mir scheint, das Publikum ist es leid, nur reiner Konsument zu sein. Wie kann ich heutzutage die Zuschauenden einbeziehen? Nicht, um ihnen den Gefallen zu tun oder um sie zu unterhalten, sondern um ihnen Zeit und Gelegenheit zu geben, das Gesehene und Gehörte in ihre eigene Komposition zu ,übersetzen'.“
Die bemerkenswerte Präsenz der Arbeit Eszter Salamons in der internationalen zeitgenössischen Tanzszene ist vor allem durch ihren besonderen Umgang mit dem Körper gekennzeichnet. Schon in den frühen Arbeiten war Salamons choreografische Recherche darauf ausgerichtet, die soziopolitischen und kulturellen „Häute“ vom Körper abzuschälen, damit der Körper an sich als eine materielle Tatsache des Lebens zum Vorschein kommen kann. Ihr jüngstes Werk vereint großformatige, bildreiche Stücke mit prozessorientierten Arte-povera-Performances und umfasst eine Vielfalt an Formaten und Medien, doch die Doppelexistenz des Körpers – als fühlendes Subjekt und Bedeutungsträger – spielt in fast allen Arbeiten eine Rolle. Dabei ist Salamons Untersuchung des Körpers von zwei besonderen Merkmalen geprägt: das erste ist die Reminiszenz an eine sozialistische Gesellschaft, in der jedes Individuum als Teil eines größeren, kollektiven Ganzen gesehen wird, das zweite eine feministische Haltung, die größtenteils von der liberalisierenden Politik und der Körperkunst der 1960er-Jahre bestimmt wird. Daran lässt sich ablesen, dass Salamon, obwohl sie im Rahmen der „internationalen zeitgenössischen Tanzszene“ operiert, sich auf „dislozierte“ Kontexte beruft, und was ihre Arbeit so interessant macht, ist genau das – die beharrliche Einspeisung dieser Themen in die besagte Szene. Im Ergebnis ist der affektive Körper, der in Salamons Stücken auftaucht, kein romantischer und universeller, stummer Körper. Er ist vielmehr ein Körper, der sprechen und lügen kann, ein Körper der verborgenen historischen Ereignisse, der Geschichten, die hätten geschehen können und derer, die geschehen, bevor wir die Worte finden, um sie zu erzählen.
Ana Vujanović
MONUMENT 0: Haunted by wars (1913 –2013) (2014)
MONUMENT 0.1: Valda & Gus (2015)
Eszter Salamon & Christophe Wavelet
MONUMENT 0.2: Valda & Gus (2016)
Eszter Salamon & Christophe Wavelet
Wars & Dances (2016)
commissioned by P.A.R.T.S.
Die Arbeiten der ungarischen Choreografin, Tänzerin und Performerin Eszter Salamon werden seit 2001 international im zeitgenössischen Theater- und Kunstkontext gezeigt. Ausgehend von der Choreografie nutzt Salamon unterschiedliche Medien: Video, Sound, Musik, Text, Stimme und Bewegung, Dokumentation und Fiktion. Zurzeit arbeitet sie an einer Reihe, in der sie sowohl die Idee des Denkmals als auch die Praxis einer „Umdeutung“ der Geschichte untersucht. Nach MONUMENT 0: Haunted by wars (1913–2013) konzentriert sie sich in MONUMENT 0.1: Valda and Gus (2015) und MONUMENT 0.2 (Museumsversion, 2016) auf die Tänzer Valda Setterfield and Gus Solomons Jr. und deren Erfahrungen mit dem Älterwerden. Salamon ist bis 2017 Artist-in-Residence am CND, un centre d’art pour la danse.