Adam Linder
„Mir scheint, ein Körper, der heute etwas aussagt, ist nicht nur ästhetisch, sondern auch biologisch anders als die Tänzerkörper von vor 20 Jahren, ich denke an Pausing, Scrubbing, Überlagerungen, Identitätswechsel, Gleichzeitigkeiten, fließende Bewegungen und deutliche Fragmente … den Tänzer Storyboard P beispielsweise.“
Ein paar Worte zu meinem Freund und Kollegen Adam Linder: Im Zentrum seiner Arbeit stehen die Ökonomie der Sprache und etwas – linguistisch gesehen – so Mehrdeutiges wie ein Körper in Bewegung. Siehe Auto Ficto Reflexo (2015), ein Spiel für zwei Darsteller, das die im Kunstbetrieb verwendete Sprache – Kritik, Produktionsanweisungen, Klatsch und Tratsch – umfunktioniert um tänzerische Handlungen zu produzieren. „Was mich interessiert“, so Linder, „ist das Zusammentreffen des Kritischen, angeblich Objektiven und Rationalen, mit dem künstlerischen Ausdruck“. Sollten bei diesem Zusammentreffen Übersetzungs- fehler auftreten, ist es doch nicht die einzige Übersetzungshandlung in seiner Arbeit. Als ehemaliger Tänzer beim Londoner Royal Ballet und bei Michael Clark verfügt Linder, der zudem kürzlich als Lyndy Sterl ein Trillwave-Rap-Album herausgebracht hat, über eine außergewöhnliche körperliche und sprachliche Virtuosität. Mit seinem Crossover von Tanz und bildender Kunst stellt er seine Praxis in einen Kontext, der seit den 1960er-Jahren durch „Deskilling“ und die Verwendung von Alltagsbewegungen künstlerische Technik und Autorenschaft demokratisierend hinterfragt. Bei Linder haben die Darstellenden, zu denen er meist auch selbst gehört, immer bereits Warencharakter. In seiner Reihe von Choreographic Services (seit 2013) wird den Performances in der Galerie ein vertraglich vereinbarter Stundensatz zugeordnet und damit die Frage aufgeworfen, welchen Wert wir der in Echtzeit stattfindenden künstlerischen Arbeit beimessen. Im Spannungsfeld zwischen Tanz und bildender Kunst untersucht Linder das umstrittene Format der „Choreografie als Ausstellung“ – und erzeugt ein seltsames Reliquiar von Präsenz und Authentizität.
Jonathan P. Watts
Some Proximity (2014)
Auto Ficto Reflexo (2015)
Some Riding (2015)
SERVICE No. 4 (2016)
Untitled: No Freakin'Escape (2016)
Adam Linder arbeitet vorwiegend mit dem Medium Tanz und schafft sowohl Theaterstücke als auch Choreographic Services. Theater wie das HAU Hebbel am Ufer in Berlin (seit 2013), American Realness in New York (2014) und Kampnagel in Hamburg (2013) zeigen seine Arbeiten, aber auch Museen für bildende Kunst wie das Institute for Contemporary Art, London (2015), das Museum für moderne Kunst in Warschau (2015), das Museum of Contemporary Art, Los Angeles (2015) und die Kunsthalle Basel (2014). Linder hat mit Choreografinnen und Choreografen, Tanzkompanien sowie bildenden Künstlerinnen und Künstlern zusammen- gearbeitet, u. a. mit Shahryar Nashat, Michael Clark, Meg Stuart/Damaged Goods und The Royal Ballet. 2016 nimmt Linder an der 20. Biennale von Sydney und der Liverpool Biennial teil.